Das NEIN! als Märchen
Ein Königreich lernt NEIN zu sagen
NEIN dem König (Teil I)
Es war einmal, vor langer Zeit, in einem Königreich. Das Königreich war groß, doch überschaubar, barg in sich Wälder mit uralten Bäumen, mit reichlich Wild und in dem breiten Fluss schwammen Fische, schillernd schön und farbenfroh. Die Wiesen und Weiden trugen ein sattes Grün und auf den Feldern wogen sich die Getreideähren im sachten Wind. Der Weg zum Schloss führte über die kunstvoll gearbeitete Eichenholz-Brücke, die den Burggraben überspannte. In ihm schwammen zahlreiche Gänse bis zum Weihnachtsfeste.
In diesem Königreich nun lebte ein König. Der König war alt und grau geworden und er beschloss abzudanken. Aber wie würde es nun weitergehen in seinem Königreich? Wer würde sich um seine Tochter kümmern? Wer würde den Bauern, dem Bäcker, dem Jäger, dem Schmied und dem ganzen Volk sagen, was zu tun sei? Wer würde sie zur Arbeit anhalten? Wer die Abgaben eintreiben?
Um nun einen geeigneten Nachfolger zu finden, rief er seinen Schreiber zu sich und trug ihm auf, folgende Nachricht in seinem Königreich, und deren Grenzen hinaus, zu verbreiten: Gesucht wird ein gutaussehender, kluger, junger Mann von Welt, mit Erfahrung im Umgang bei Hofe, mit einem erlesenen Geschmack für Speis und Trank, und geübt im Umgang mit Schwert, Pferd und Weib. Der Mann, den der König für den Besten hielte, sollte die Tochter heiraten und das Königreich regieren. Er wünsche drei der besten Männer vorgeführt zu bekommen! So sprach der König.
Es dauert gar nicht lange und es versammelten sich einige Männer vor dem Schloss. Einige schritten wichtig auf und ab, andere schlugen ihre Schwerter gegeneinander, galt es doch heraus zu finden, wer der Bessere von ihnen sei, oder zumindest so auszusehen! Es gab auch ein paar, die sich ausschließlich um ihr Äußeres kümmerten, die ihre Mäntel immer wieder aufbürsten und ihre Stiefel putzen ließen, bis sie sich fast darin spiegeln konnten. Auch pflegten sie ihr Haar und ihr Geschmeide, damit es nicht leide.
Und am folgenden Tag geschah es nun, dass der König zum Fenster schritt und Ausschau hielt, nach einem würdigen Thronfolger. Er überblickte das muntere Treiben und erwählte sich drei. Dieser, jener und welcher sollte sein, auf die er zeigte und man brachte sie in den großen Saal, an dessen Stirnseite der Thron des Königs prunkte. Auch die Prinzessin eilte herbei, zu sehen, welch Männer der König auserwählte, sie zu ehelichen.
Der Erste, den der König heranwinkte, war ein schlanker, groß gewachsener junger Prinz, mit einem hübschen Antlitz. Auch die Prinzessin nahm ihn in Augenschein. Was für ein gut aussehender Mann! Den könnte ich mir gut an meiner Seite vorstellen, dachte sie insgeheim und lächelte verlegen. Dem Prinz entging der wohlwollende Blick der Prinzessin nicht, und so warf er eitel und schwungvoll seinen Kopf in den Nacken, damit seine halblangen, welligen Haare wieder in der richtigen Position saßen. Schließlich wollte er gut aussehen, um die Prinzessin, aber natürlich auch den König zu beeindrucken!
Der König indessen fragte ihn: „Was wirst Du für mein Königreich tun? Wie wirst Du es regieren?“
„Nun“ antwortete dieser leicht hochnäsig, „Was kann dieses Königreich für mich tun, schließlich bin ich von blauem Blute und edlen Ahnen! Welch gutbetuchte Herrschaften pflegen denn in diesem Hause ein und auszugehen?
Mit wem kann ich mich hier umgeben um angemessen zu speisen? Wer gehört zu Ihren Hofschneidern, wer zu Ihren Köchen? Ich brauche auch eine große Anzahl bestimmter Kräuter, damit meine Haut zart und frisch bleibt!“
Der Augen der Prinzessin zogen sich zusammen. Es gab einen Mann, einen, der eitler war als alle Damen in ihrem ganzen Schloss zusammen!? Der König überhörte die Fragen und Forderungen des jungen Prinzen. Sodann ließ er ihn einige Schritte zurück treten, um den Zweiten auszuwählen.
Sein Blick fiel auf einen etwas kleineren Mann, ausgerüstet mit Schwert, Kettenhemd und Brustpanzer von bester Schmiedearbeit. Auf seinem Kopf saß ein Helm, der frisch geputzt glänzte, und an dessen oberem Ende rote Federpuschel emporstanden. Seine Rüstung war mit Edelsteinen verziert. Leicht amüsiert betrachtete die Prinzessin den Ritter. Der König winkte ihm zu.
Forschen Schrittes nahte er heran, das Schwert, welches für ihn etwas zu groß geraten war, schliff leicht klirrend über den Boden. Er ergriff sofort die Hand des Königs und fiel vor ihm auf die Knie. „Was wirst Du für mein Königreich tun? Wie willst Du es regieren“ fragte der König. Die Antwort des Zweiten kam schnell und kalt „Ich werde mehr und mehr Land erobern, und mich, ähm er räusperte sich, Euch, ich meine natürlich Euch, reicher und reicher machen, die jungen Bauern werden Krieger, Ritter und Knappen, die alten arbeiten in der Schmiede“
Er blickte die Prinzessin an und sagte eisig: „Ich lege Euch die Leben meiner Ritter zu Füßen und Ihr werdet reich, mächtig und gefürchtet sein!“
Der Prinzessin gefror fast das Blut in den Adern und sie fürchtete sich! Rasch bat sie den König den Zweiten zurück treten zu lassen, um den Dritten heranzuwinken.
Auch der König fühlte sich etwas unbehaglich und kam der Bitte nach.
Er gehieß dem Dritten sich zu nähern.
Dieser war ein Mann von seltsamer Gestalt, schien er doch von weit her angereist zu sein, denn derartige Gewänder hatte die Prinzessin noch nicht gesehen. Er war mit vielen Stoffen umwoben, die dennoch leicht und luftig um ihn herum waren, und auf seinem Haupt trug er eine Art Kopfbedeckung, die wie viele ineinander geflochtene Tücher aussah. Auch war die Hautfarbe des Fremden etwas dunkler, als jene Menschen, die sie ihr Leben lang umgaben.
„Sie verlangten nach einem Mann von Welt, nun, der bin ich“ mit einem breiten Grinsen verbeugte sich der Mann, um sich aber sogleich wieder aufzurichten. „Ich bin seit vielen Sommern und Wintern in der Welt unterwegs, so verschlug es mich nun unlängst in Eure Gegend. Ein Königreich wie dieses, würde mir gefallen, etwas Derartiges habe ich noch nicht in meinem Besitz“. Er zählte mit dem Zeigefinger der einen, an den Fingern der anderen Hand auf, wie viele Besitztümer er bereits sein eigen nennt. Darunter waren Burgen, Paläste und mehrere Schiffe, mit denen er durch die Welt reiste und Handel betrieb. Er beschrieb große Meere und lange Sandstrände, Palmen, Früchte und Gewürze von denen die Prinzessin noch nie etwas gehört hatte.
Sie war sichtlich beeindruckt und neugierig. „Oh wie schön, ich werde reisen, die Welt sehen, auf einem Schiff über die Meere fahren und in anderen Palästen wohnen!“ rief sie aus. Der Fremde hielt in seinen Erzählungen abrupt inne und sah die Prinzessin fragend bis ärgerlich an. „Nein“ sprach er dann zu ihr „Du wirst hier bleiben, es schickt sich nicht für eine Königin sich auf lange Reisen zu begeben, und wer soll sich um das Geldeintreiben im Königreich kümmern, wenn ich unterwegs bin?
„Aber was soll ich denn mit einem Mann, der ständig in der Welt unterwegs ist, und sich nicht um mich und mein Volk kümmert?“ fragte die Prinzessin entsetzt.
Auch der dritte schien also nicht der Richtige zu sein, dachte sie enttäuscht. Was nun?
Der König jedoch schien die Frage der Prinzessin einfach zu überhören. Es schritt zu seinem Thron, setze sich langsam und schwerfällig hinein, sah die Prinzessin an und sprach: „Nun, mein Kind, hier stehen also drei Bewerber, aus denen Du Dir einen neuen König erwählen darfst. Aber ich gebe Dir Zeit bis morgen früh, damit Du in Ruhe nachdenken kannst.
Die Prinzessin lief eilig durch den langen Saal davon, ihre Schritte hallten, als sie die Turmtreppe nach oben in ihre Gemächer lief. Oben angekommen warf sie sich auf ihr Bett und Tränen brachen aus ihr heraus. Was sollte sie nur tun? So weinte sie nun eine lange Weile. Dann setze sie sich auf, trocknete ihre Tränen und dachte nach. Einer dieser drei Fremden musste es sein?!
Ja, so hatte es der König verlangt. Also schritt sie in Gedanken noch einmal um jeden einzelnen von ihnen herum:
Der Erste ist sehr gut aussehend zwar, mir aber viel zu eitel, dachte sie. Der hat ja nur sich selbst im Kopf, will rauschende Feste feiern, und in Saus und Braus Leben, und steht wahrscheinlich auch noch den ganzen Tag vor dem Spiegel! Dennoch schlich sich ein kleiner Gedanke ein: Ist es nicht zuweilen sehr vorteilhaft und angenehm, sich mit einflussreichen und wohlhabenden Menschen zu umgeben?!
Und der Zweite? Allein bei dem Gedanken an ihn schrak die Prinzessin zusammen! Der Zweite macht mir Angst, will er doch Kriege führen, die sie so sehr verabscheute! „Ich will in einem friedlichen und gastfreundlichen Königreich leben!“ rief sie laut aus, und stampfte mit dem Fuß auf. Und dann dachte sie an das Gold und die vielen Edelsteine, die er ihr versprach… aber nur ein ganz klein wenig…
Und was war mit dem Dritten? Ein vielgereister Mann von Welt mit allerlei Wissen. Aber was nützt es mir, wenn er nie da ist und mich und das Königreich dann nicht mit seinem Wissen unterstützt? Ein Mann, der mich nicht an seiner Seite haben will! Er will nur in der Welt herum gondeln und nach neuen Gewürzen und teuren Stoffen Ausschau halten! Das kränkte sie! Dennoch, vielleicht brachte er ihr von seinen Reisen kostbare Geschenke mit…
Somit fand sie zwar an dem einen oder anderen ein wenig Gefallen,
aber zu keinem der drei konnte sie mit ganzem Herzen ja sagen.
Was sollte sie nur tun? Traurig und ratlos legte sie sich schlafen und war unglücklich, wie nie zuvor.
Am nächsten Morgen drängten sich viele Menschen in den großen Saal und vor dem Schloss war das halbe Königreich versammelt! Alle wollten die Entscheidung der Prinzessin höre, alle wollten den neuen König sehen und die Hochzeit feiern!
Der König saß bereits in seinem Thron, als die Prinzessin mit kleinen, leisen Schritten durch die große Tür trat. Der Saal war sehr festlich geschmückt, aber das nahm sie nicht wahr. Sie sah niemanden an, blickte sich nicht um, ging nur geradewegs auf den König zu. Er sah ihr erwartungsfroh entgegen.
Als sie ihn erreicht hatte, streckte er ihr die Hand entgegen, die sie nahm und mit ihren beiden Händen umschloss.
„Vater?!“ sprach sie ganz leise und gerade als sie weiter reden wollte, erhob sich der König, streckte den Rücken gerade und rief: „Nun, meine Tochter ist gekommen, um Euch ihre Entscheidung mitzuteilen!“
Er nickte ihr aufmunternd zu. „So sprich, mein Kind! Wer nun wird der neue König?“
Die Körper der drei Auserwählten strafften sich. Stolz lag in jeder Brust, Sicherheit und Siegesgewissheit strahlte aus ihren Augen. Jeder der Drei war sich ganz sicher, der neue König zu werden! Alle Umstehenden warteten neugierig, keiner bewegte sich mehr, alle hielten den Atem an, die Spannung war zum Greifen spürbar! Jedes Augenpaar klebte an den Lippen der Prinzessin!
„Vater!?“ bat sie leise flehend, doch der König wurde ungehalten. „Lass uns nicht noch länger warten!“ rief er ärgerlich aus „Welcher von den Dreien soll der neue König sein?!“
Die Prinzessin sah ihm in die Augen und sagte: „Keiner!“ Ein lautes Raunen ging durch den Saal!
„Was hat sie gesagt?“ fragte sich alle gegenseitig. Sie hat „Keiner“ gesagt murmelten und tuschelten alle durcheinander! Was? Welcher? Keiner? Welcher ist das? Nein! Wirklich?! Keiner? Was soll denn das?
Der König gewann nun langsam seine Fassung wieder und donnerte laut: „RUUUHE!!“ durch den Saal!
Das Echo war erschütternd! Augenblicklich verstummte und erstarrte ein jeder!
Auch die drei „Auserwählten“ standen ganz starr, wobei nicht ganz klar war, was sie hat mehr erstarren lassen, das Gebrüll, des Königs, oder die klare Zurückweisung der Prinzessin!
Der König blickte erst in die große Runde und dann auf seine Tochter „Was sagtest Du?“ fragte er, immer noch sichtlich um Fassung bemüht, mit dem letzten Rest Hoffnung sich vielleicht doch nur verhört zu haben
„Welcher soll es sein?“
„Keiner dieser drei!“ erwiderte die Prinzessin, mittlerweile sogar mit Nachdruck!
„NEIN, ich will keinen dieser Drei erwählen und damit auch nicht zum neuen König machen! NEIN!“
Wieder setzte lautes Stimmenwirrwarr ein, waren sich doch diesmal alle sicher, ganz genau verstanden zu haben, was die Prinzessin da von sich gab!
NEIN! Sie hat NEIN gesagt! Na, das war ja schon fast unerhört! Keiner? NEIN! Verzogenes Ding!
Ist wohl keiner gut genug!? NEIN, sie sagt einfach NEIN! Geht das überhaupt?
Der König war ratlos und verärgert. Vielleicht hätte er zu ihr als Kind doch strenger sein sollen!?
„Es ist mir zu müßig nach weiteren Männern Ausschau zu halten, einer von denen wird schon der Richtige sein! Wähle Dir einen aus!“ befahl er und ließ sich schwerfällig in seinen Thron fallen.
Aber die Prinzessin dachte nicht einmal daran! „Vater! Du gibt’s mir drei zur Wahl, aber keinen von denen will ich haben! Keiner von denen wird ein guter neuer König!
Und wenn ich nur zwischen diesen dreien wählen kann, dann sage ich NEIN!“
Sie schritt an ihm vorbei, lief durch den großen Saal, bis hin zum Fenster.
Sie sah hinaus und erblickte viele, sehr viele Menschen vor dem Schloss.
Sie drehte sich zum König um. „Nur weil bei den ersten dreien keiner dabei war,
den ich für den Richtigen erachte“, nun zeigte sie mit dem ausgestreckten Arm aus dem Fenster,
„heißt es doch nicht, dass es da draußen nicht den Richtigen für mich und diese Menschen im Königreich gibt!“
„Ich kann doch nicht nur wählen dürfen zwischen:
„unzureichend“, „gefährlich“ und „nur zeitweise zu gebrauchen!“
Nein Vater, nein!
Mein Vater und König – NEIN!
…und in die Stille hinein, begann ganz hinten im Saal jemand zu klatschen.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Toni Lehlbach --- Ende Teil 1 ------
Ein Königreich lernt NEIN zu sagen
NEIN dem König (Teil I)
Es war einmal, vor langer Zeit, in einem Königreich. Das Königreich war groß, doch überschaubar, barg in sich Wälder mit uralten Bäumen, mit reichlich Wild und in dem breiten Fluss schwammen Fische, schillernd schön und farbenfroh. Die Wiesen und Weiden trugen ein sattes Grün und auf den Feldern wogen sich die Getreideähren im sachten Wind. Der Weg zum Schloss führte über die kunstvoll gearbeitete Eichenholz-Brücke, die den Burggraben überspannte. In ihm schwammen zahlreiche Gänse bis zum Weihnachtsfeste.
In diesem Königreich nun lebte ein König. Der König war alt und grau geworden und er beschloss abzudanken. Aber wie würde es nun weitergehen in seinem Königreich? Wer würde sich um seine Tochter kümmern? Wer würde den Bauern, dem Bäcker, dem Jäger, dem Schmied und dem ganzen Volk sagen, was zu tun sei? Wer würde sie zur Arbeit anhalten? Wer die Abgaben eintreiben?
Um nun einen geeigneten Nachfolger zu finden, rief er seinen Schreiber zu sich und trug ihm auf, folgende Nachricht in seinem Königreich, und deren Grenzen hinaus, zu verbreiten: Gesucht wird ein gutaussehender, kluger, junger Mann von Welt, mit Erfahrung im Umgang bei Hofe, mit einem erlesenen Geschmack für Speis und Trank, und geübt im Umgang mit Schwert, Pferd und Weib. Der Mann, den der König für den Besten hielte, sollte die Tochter heiraten und das Königreich regieren. Er wünsche drei der besten Männer vorgeführt zu bekommen! So sprach der König.
Es dauert gar nicht lange und es versammelten sich einige Männer vor dem Schloss. Einige schritten wichtig auf und ab, andere schlugen ihre Schwerter gegeneinander, galt es doch heraus zu finden, wer der Bessere von ihnen sei, oder zumindest so auszusehen! Es gab auch ein paar, die sich ausschließlich um ihr Äußeres kümmerten, die ihre Mäntel immer wieder aufbürsten und ihre Stiefel putzen ließen, bis sie sich fast darin spiegeln konnten. Auch pflegten sie ihr Haar und ihr Geschmeide, damit es nicht leide.
Und am folgenden Tag geschah es nun, dass der König zum Fenster schritt und Ausschau hielt, nach einem würdigen Thronfolger. Er überblickte das muntere Treiben und erwählte sich drei. Dieser, jener und welcher sollte sein, auf die er zeigte und man brachte sie in den großen Saal, an dessen Stirnseite der Thron des Königs prunkte. Auch die Prinzessin eilte herbei, zu sehen, welch Männer der König auserwählte, sie zu ehelichen.
Der Erste, den der König heranwinkte, war ein schlanker, groß gewachsener junger Prinz, mit einem hübschen Antlitz. Auch die Prinzessin nahm ihn in Augenschein. Was für ein gut aussehender Mann! Den könnte ich mir gut an meiner Seite vorstellen, dachte sie insgeheim und lächelte verlegen. Dem Prinz entging der wohlwollende Blick der Prinzessin nicht, und so warf er eitel und schwungvoll seinen Kopf in den Nacken, damit seine halblangen, welligen Haare wieder in der richtigen Position saßen. Schließlich wollte er gut aussehen, um die Prinzessin, aber natürlich auch den König zu beeindrucken!
Der König indessen fragte ihn: „Was wirst Du für mein Königreich tun? Wie wirst Du es regieren?“
„Nun“ antwortete dieser leicht hochnäsig, „Was kann dieses Königreich für mich tun, schließlich bin ich von blauem Blute und edlen Ahnen! Welch gutbetuchte Herrschaften pflegen denn in diesem Hause ein und auszugehen?
Mit wem kann ich mich hier umgeben um angemessen zu speisen? Wer gehört zu Ihren Hofschneidern, wer zu Ihren Köchen? Ich brauche auch eine große Anzahl bestimmter Kräuter, damit meine Haut zart und frisch bleibt!“
Der Augen der Prinzessin zogen sich zusammen. Es gab einen Mann, einen, der eitler war als alle Damen in ihrem ganzen Schloss zusammen!? Der König überhörte die Fragen und Forderungen des jungen Prinzen. Sodann ließ er ihn einige Schritte zurück treten, um den Zweiten auszuwählen.
Sein Blick fiel auf einen etwas kleineren Mann, ausgerüstet mit Schwert, Kettenhemd und Brustpanzer von bester Schmiedearbeit. Auf seinem Kopf saß ein Helm, der frisch geputzt glänzte, und an dessen oberem Ende rote Federpuschel emporstanden. Seine Rüstung war mit Edelsteinen verziert. Leicht amüsiert betrachtete die Prinzessin den Ritter. Der König winkte ihm zu.
Forschen Schrittes nahte er heran, das Schwert, welches für ihn etwas zu groß geraten war, schliff leicht klirrend über den Boden. Er ergriff sofort die Hand des Königs und fiel vor ihm auf die Knie. „Was wirst Du für mein Königreich tun? Wie willst Du es regieren“ fragte der König. Die Antwort des Zweiten kam schnell und kalt „Ich werde mehr und mehr Land erobern, und mich, ähm er räusperte sich, Euch, ich meine natürlich Euch, reicher und reicher machen, die jungen Bauern werden Krieger, Ritter und Knappen, die alten arbeiten in der Schmiede“
Er blickte die Prinzessin an und sagte eisig: „Ich lege Euch die Leben meiner Ritter zu Füßen und Ihr werdet reich, mächtig und gefürchtet sein!“
Der Prinzessin gefror fast das Blut in den Adern und sie fürchtete sich! Rasch bat sie den König den Zweiten zurück treten zu lassen, um den Dritten heranzuwinken.
Auch der König fühlte sich etwas unbehaglich und kam der Bitte nach.
Er gehieß dem Dritten sich zu nähern.
Dieser war ein Mann von seltsamer Gestalt, schien er doch von weit her angereist zu sein, denn derartige Gewänder hatte die Prinzessin noch nicht gesehen. Er war mit vielen Stoffen umwoben, die dennoch leicht und luftig um ihn herum waren, und auf seinem Haupt trug er eine Art Kopfbedeckung, die wie viele ineinander geflochtene Tücher aussah. Auch war die Hautfarbe des Fremden etwas dunkler, als jene Menschen, die sie ihr Leben lang umgaben.
„Sie verlangten nach einem Mann von Welt, nun, der bin ich“ mit einem breiten Grinsen verbeugte sich der Mann, um sich aber sogleich wieder aufzurichten. „Ich bin seit vielen Sommern und Wintern in der Welt unterwegs, so verschlug es mich nun unlängst in Eure Gegend. Ein Königreich wie dieses, würde mir gefallen, etwas Derartiges habe ich noch nicht in meinem Besitz“. Er zählte mit dem Zeigefinger der einen, an den Fingern der anderen Hand auf, wie viele Besitztümer er bereits sein eigen nennt. Darunter waren Burgen, Paläste und mehrere Schiffe, mit denen er durch die Welt reiste und Handel betrieb. Er beschrieb große Meere und lange Sandstrände, Palmen, Früchte und Gewürze von denen die Prinzessin noch nie etwas gehört hatte.
Sie war sichtlich beeindruckt und neugierig. „Oh wie schön, ich werde reisen, die Welt sehen, auf einem Schiff über die Meere fahren und in anderen Palästen wohnen!“ rief sie aus. Der Fremde hielt in seinen Erzählungen abrupt inne und sah die Prinzessin fragend bis ärgerlich an. „Nein“ sprach er dann zu ihr „Du wirst hier bleiben, es schickt sich nicht für eine Königin sich auf lange Reisen zu begeben, und wer soll sich um das Geldeintreiben im Königreich kümmern, wenn ich unterwegs bin?
„Aber was soll ich denn mit einem Mann, der ständig in der Welt unterwegs ist, und sich nicht um mich und mein Volk kümmert?“ fragte die Prinzessin entsetzt.
Auch der dritte schien also nicht der Richtige zu sein, dachte sie enttäuscht. Was nun?
Der König jedoch schien die Frage der Prinzessin einfach zu überhören. Es schritt zu seinem Thron, setze sich langsam und schwerfällig hinein, sah die Prinzessin an und sprach: „Nun, mein Kind, hier stehen also drei Bewerber, aus denen Du Dir einen neuen König erwählen darfst. Aber ich gebe Dir Zeit bis morgen früh, damit Du in Ruhe nachdenken kannst.
Die Prinzessin lief eilig durch den langen Saal davon, ihre Schritte hallten, als sie die Turmtreppe nach oben in ihre Gemächer lief. Oben angekommen warf sie sich auf ihr Bett und Tränen brachen aus ihr heraus. Was sollte sie nur tun? So weinte sie nun eine lange Weile. Dann setze sie sich auf, trocknete ihre Tränen und dachte nach. Einer dieser drei Fremden musste es sein?!
Ja, so hatte es der König verlangt. Also schritt sie in Gedanken noch einmal um jeden einzelnen von ihnen herum:
Der Erste ist sehr gut aussehend zwar, mir aber viel zu eitel, dachte sie. Der hat ja nur sich selbst im Kopf, will rauschende Feste feiern, und in Saus und Braus Leben, und steht wahrscheinlich auch noch den ganzen Tag vor dem Spiegel! Dennoch schlich sich ein kleiner Gedanke ein: Ist es nicht zuweilen sehr vorteilhaft und angenehm, sich mit einflussreichen und wohlhabenden Menschen zu umgeben?!
Und der Zweite? Allein bei dem Gedanken an ihn schrak die Prinzessin zusammen! Der Zweite macht mir Angst, will er doch Kriege führen, die sie so sehr verabscheute! „Ich will in einem friedlichen und gastfreundlichen Königreich leben!“ rief sie laut aus, und stampfte mit dem Fuß auf. Und dann dachte sie an das Gold und die vielen Edelsteine, die er ihr versprach… aber nur ein ganz klein wenig…
Und was war mit dem Dritten? Ein vielgereister Mann von Welt mit allerlei Wissen. Aber was nützt es mir, wenn er nie da ist und mich und das Königreich dann nicht mit seinem Wissen unterstützt? Ein Mann, der mich nicht an seiner Seite haben will! Er will nur in der Welt herum gondeln und nach neuen Gewürzen und teuren Stoffen Ausschau halten! Das kränkte sie! Dennoch, vielleicht brachte er ihr von seinen Reisen kostbare Geschenke mit…
Somit fand sie zwar an dem einen oder anderen ein wenig Gefallen,
aber zu keinem der drei konnte sie mit ganzem Herzen ja sagen.
Was sollte sie nur tun? Traurig und ratlos legte sie sich schlafen und war unglücklich, wie nie zuvor.
Am nächsten Morgen drängten sich viele Menschen in den großen Saal und vor dem Schloss war das halbe Königreich versammelt! Alle wollten die Entscheidung der Prinzessin höre, alle wollten den neuen König sehen und die Hochzeit feiern!
Der König saß bereits in seinem Thron, als die Prinzessin mit kleinen, leisen Schritten durch die große Tür trat. Der Saal war sehr festlich geschmückt, aber das nahm sie nicht wahr. Sie sah niemanden an, blickte sich nicht um, ging nur geradewegs auf den König zu. Er sah ihr erwartungsfroh entgegen.
Als sie ihn erreicht hatte, streckte er ihr die Hand entgegen, die sie nahm und mit ihren beiden Händen umschloss.
„Vater?!“ sprach sie ganz leise und gerade als sie weiter reden wollte, erhob sich der König, streckte den Rücken gerade und rief: „Nun, meine Tochter ist gekommen, um Euch ihre Entscheidung mitzuteilen!“
Er nickte ihr aufmunternd zu. „So sprich, mein Kind! Wer nun wird der neue König?“
Die Körper der drei Auserwählten strafften sich. Stolz lag in jeder Brust, Sicherheit und Siegesgewissheit strahlte aus ihren Augen. Jeder der Drei war sich ganz sicher, der neue König zu werden! Alle Umstehenden warteten neugierig, keiner bewegte sich mehr, alle hielten den Atem an, die Spannung war zum Greifen spürbar! Jedes Augenpaar klebte an den Lippen der Prinzessin!
„Vater!?“ bat sie leise flehend, doch der König wurde ungehalten. „Lass uns nicht noch länger warten!“ rief er ärgerlich aus „Welcher von den Dreien soll der neue König sein?!“
Die Prinzessin sah ihm in die Augen und sagte: „Keiner!“ Ein lautes Raunen ging durch den Saal!
„Was hat sie gesagt?“ fragte sich alle gegenseitig. Sie hat „Keiner“ gesagt murmelten und tuschelten alle durcheinander! Was? Welcher? Keiner? Welcher ist das? Nein! Wirklich?! Keiner? Was soll denn das?
Der König gewann nun langsam seine Fassung wieder und donnerte laut: „RUUUHE!!“ durch den Saal!
Das Echo war erschütternd! Augenblicklich verstummte und erstarrte ein jeder!
Auch die drei „Auserwählten“ standen ganz starr, wobei nicht ganz klar war, was sie hat mehr erstarren lassen, das Gebrüll, des Königs, oder die klare Zurückweisung der Prinzessin!
Der König blickte erst in die große Runde und dann auf seine Tochter „Was sagtest Du?“ fragte er, immer noch sichtlich um Fassung bemüht, mit dem letzten Rest Hoffnung sich vielleicht doch nur verhört zu haben
„Welcher soll es sein?“
„Keiner dieser drei!“ erwiderte die Prinzessin, mittlerweile sogar mit Nachdruck!
„NEIN, ich will keinen dieser Drei erwählen und damit auch nicht zum neuen König machen! NEIN!“
Wieder setzte lautes Stimmenwirrwarr ein, waren sich doch diesmal alle sicher, ganz genau verstanden zu haben, was die Prinzessin da von sich gab!
NEIN! Sie hat NEIN gesagt! Na, das war ja schon fast unerhört! Keiner? NEIN! Verzogenes Ding!
Ist wohl keiner gut genug!? NEIN, sie sagt einfach NEIN! Geht das überhaupt?
Der König war ratlos und verärgert. Vielleicht hätte er zu ihr als Kind doch strenger sein sollen!?
„Es ist mir zu müßig nach weiteren Männern Ausschau zu halten, einer von denen wird schon der Richtige sein! Wähle Dir einen aus!“ befahl er und ließ sich schwerfällig in seinen Thron fallen.
Aber die Prinzessin dachte nicht einmal daran! „Vater! Du gibt’s mir drei zur Wahl, aber keinen von denen will ich haben! Keiner von denen wird ein guter neuer König!
Und wenn ich nur zwischen diesen dreien wählen kann, dann sage ich NEIN!“
Sie schritt an ihm vorbei, lief durch den großen Saal, bis hin zum Fenster.
Sie sah hinaus und erblickte viele, sehr viele Menschen vor dem Schloss.
Sie drehte sich zum König um. „Nur weil bei den ersten dreien keiner dabei war,
den ich für den Richtigen erachte“, nun zeigte sie mit dem ausgestreckten Arm aus dem Fenster,
„heißt es doch nicht, dass es da draußen nicht den Richtigen für mich und diese Menschen im Königreich gibt!“
„Ich kann doch nicht nur wählen dürfen zwischen:
„unzureichend“, „gefährlich“ und „nur zeitweise zu gebrauchen!“
Nein Vater, nein!
Mein Vater und König – NEIN!
…und in die Stille hinein, begann ganz hinten im Saal jemand zu klatschen.
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